psychologischen Psychotherapeuten
Stefan Mayr aus Wiesbaden
Herr Mayr, warum ist Mentale Gesundheit ein wichtiges Thema?
S. Mayr: Das psychische Befinden ist ein zentraler Bestandteil unseres Lebens. Wie wir uns fühlen, hat sowohl Einfluss auf unsere Wahrnehmung und unser Erleben als auch auf Entscheidungsfindungsprozesse und auf unser Kontaktverhalten zu anderen Menschen. Letztlich wirkt es sich auch auf unsere körperliche Gesundheit aus. Mit anderen Worten: Geht es uns mental nicht gut, erleben wir die Welt düsterer, trauen uns weniger zu, fällen eventuell ungünstigere Entscheidungen und meiden eher soziale Kontakte. Das führt nicht selten dazu, dass es uns seelisch noch schlechter geht – ein Teufelskreis, der unterbrochen, oder besser, dem vorgebeugt werden sollte.
Stimmt es, dass unsere mentale Gesundheit heute besonders in Gefahr zu sein scheint?
Wenn ja, woran liegt das Ihrer Ansicht nach?
S. Mayr: Ich weiß nicht, ob sich diese Aussage pauschal treffen lässt. Eine Häufung als krisenhaft empfundener Ereignisse gab es in der Vergangenheit selbstverständlich auch immer wieder. Was sich ändert, sind die Arten der Herausforderungen und auch das Bewusstsein, die Entwicklungen psychischer Beeinträchtigungen systematisch zu beobachten.
Was ist eigentlich eine „gute seelische Gesundheit“? Wie ist Ihre persönliche Definition als Praktiker?
S. Mayr: Mir ist hier die Wortwahl wichtig, anstelle von „gut oder schlecht“ teile ich seelische Gesundheitszustände in stabil oder weniger stabil ein. Für mich zeigt sich eine stabile seelische Gesundheit darin, inwieweit es
jemandem gelingt, bei den Herausforderungen des Lebens einen liebevollen, fürsorglichen und respektvollen Umgang mit sich selbst zu finden.
Können Sie uns drei praktische und einfach umzusetzende Tipps für mehr Mentale Gesundheit im Alltag nennen?
S. Mayr: Das ist sehr individuell, was dem einen Menschen guttut, kann für einen anderen nicht passend sein. Wir Menschen sind eben unterschiedlich. Grundsätzlich wichtig für das psychische und physische Wohlbefinden aller Menschen sind jedoch:
• regelmäßige Bewegung – auch kleine Einheiten wie ein kurzer Spaziergang, 15 Minuten Yoga oder Tanzen zur Lieblingsmusik
• ausreichender Schlaf – auf einen möglichst regelmäßigen Schlafrhythmus achten, dabei aber nicht zu streng mit sich selbst sein: gelegentlich eine ausgelassene Feier mit Freunden darf ruhig auch mal den Schlaf rauben, denn
• soziale Kontakte sind ebenfalls ein wesentlicher Beitrag zu unserem Wohlbefinden
Achtsamkeit und Entspannung regelmäßig üben - mit einfachen Atemübungen, progressiver Muskelentspannung oder Meditation lässt sich der Geist beruhigen und Stress- und Angstgefühle reduzieren.
Es fällt nicht immer leicht, darüber zu sprechen, dass die eigene seelische Verfassung zurzeit nicht gut ist – gerade in Bereichen, wo es traditionell auf das Funktionieren (z. B. im Berufsleben) ankommt oder beim Sport, z. B. im Fußballverein, wo ein vermeintliches Schwächezeigen nicht gut ankommen könnte. Was ist Ihr Rat, wie man dennoch diese Themen ansprechen kann?
S. Mayr: Zunächst einmal sollte man sich überlegen, ob und in welcher Situation es passend ist, über die eigene Verfassung zu sprechen, gegebenenfalls sich vorher mit einem Freund oder Freundin, denen man vertraut, darüber austauschen. Ich denke, dass es nicht für jeden und in jeder Situation sinnvoll ist, darüber zu sprechen. Es hängt dabei einiges von der eigenen inneren Stabilität ab. Man sollte sich z. B. ehrlich fragen, ob man momentan in der Lage ist, mit einer möglicherweise wenig empathischen, entwertenden Antwort des Gegenübers umzugehen. Dafür ist Mut gefordert, denn Selbstoffenbarungen bergen natürlich das Risiko von Ablehnung. Andererseits kann mutige Offenheit auch auf Interesse und Sympathie beim Gegenüber stoßen, so dass sich daraus sogar ein authentischer Kontakt entwickeln kann.